
Können Männer Finanzberatung für Frauen? Ich finde, ja, denn ich habe den empirischen Beweis: mehr als die Hälfte meiner Kundschaft ist weiblich.
1. Darum erhalte ich als Honorarberater Anfragen von Frauen
Ich glaube, dass sich Frauen tendenziell eher externe Hilfe suchen. Gerade bei Geldanlage und Altersvorsorge denken viele Kerle, dass sie das alles schon selbst im Griff haben und überschätzen sich oft - mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Wertenwicklung ihrer Anlagen.
Warum erhalte ich aber als männlicher Honorar-Finanzanlagenberater so viele Anfragen von Frauen? Ich sehe dafür vier Gründe:
- Es gibt insgesamt sehr wenige echte Honorar-Finanzanlageberater in Deutschland, die sich nicht von Finanzprodukt-Anbietern durch Provisionen bezahlen lassen, sondern direkt von der Kundin. Stand 2025 sind es genau 310 deutschlandweit, Männer und Frauen, mit der Zulassung 34 h GewO. Ich kenne nicht den genauen Frauenanteil, aber er ist gering. Es gibt also nur sehr wenig weibliche Alternativen, die genau die Beratung anbieten, die ich mache. Dem gegenüber stehen rund 41.000 Finanzberater und Finanzberaterinnen mit Zulassung 34 f, die Finanzprodukte auf Provisionsbasis verkaufen.
- Es gibt noch weniger Honorarberater und Honorarberaterinnen, die wie ich auch noch fair auf Stundenbasis abrechnen und sich nicht prozentual an das Vermögen ihrer Kundschaft hängen. Sie glauben nicht, zu welchen Summen sich die Kosten für eine Honorarberatung mit Bestandsgebühr von 0,5 Prozent, 1 Prozent oder gar 1,5 Prozent nach wenigen Jahren addiert. Ich habe das bereits in einigen Tabellen mal verglichen. Da wird aus meiner Sicht Vermögensverwaltung aus Marketinggründen als Honorarberatung an den Mann und die Frau gebracht. Und Vermögensverwaltung ist nun einmal- statistisch betrachtet- ebenso nutzlos wie aktives Fondsmanagement.
- Meine Kundinnen haben meinen Beitrag über Finanzcoaching für Frauen gelesen haben und stimmen mir zu. Da ist nämlich ganz schön viel Abzocke dabei, wenn weibliche Finanzcoachs ohne jedwede Zulassung unter dem Deckmäntelchen des Female Empowerments ihre Gruppen-Programme verkaufen, die teurer als meine 1:1-Honorarberatung sind. Und dann stehen die Teilnehmerinnen danach trotzdem ohne konkrete Anlageempfehlung da und wissen nicht, in welchen Verhältnis sie in welche Anlageklassen investieren sollen, geschweige denn, welche ETFs sie kaufen sollen.
- Ich werde tatsächlich oft von Frauen weiter empfohlen.
2. Darum sehe ich den Begriff Frauen-Finanzberatung kritisch
Wenn ich heute durch die Magazine blättere oder die einschlägigen Webseiten anschaue, springt mir das Thema Frauen und Finanzen überall entgegen, gerne auch in Denglisch. Da gibt es spezielle Beratungsangebote, Female-Finance-Events, Bücher, Instagram-Kanäle. Plötzlich will jeder und vor allem jede bei der Altersvorsorge "helfen" oder "unterstützen".
Das Vokabular erinnert dabei oft an ein Ehrenamt, aber natürlich lassen sich auch Frauen-Finanzcoachs und Finanzberaterinnen ihre Dienstleistung bezahlen. Das ist an sich völlig in Ordnung, so lange die Kosten transparent sind und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.
Früher bestand die Branche fast ausschließlich aus männlichen Finanzberatern, das war nicht besser. Heute schicken sich immer mehr Frauen an, mit dem Siegel „Frauen beraten Frauen“ auf Kundinnenfang zu gehen. Das klingt nach Solidarität, nach Sisterhood, nach gegenseitiger Unterstützung.
In der Praxis ist es aber oft nichts anderes als clevere Verkaufspsychologie und nicht selten ein trojanisches Pferd. Frauen-Finanzberaterinnen spielen nämlich längst ganz vorne mit, wenn es um die systematische Fehlberatung von Frauen geht. Klingt hart, aber es ist Zeit, dass wir darüber reden.
3. Finanzberatung für Frauen bleibt unübersichtlich
Das Problem: Der Markt der Finanzberatung ist insgesamt unübersichtlich. Neben all den Frauenfinanz-Coachings und Mentorings gibt es zahlreiche verschiedene Begriffe und Zulassungen wie Finanzberaterin, Anlageberaterin, Honorarberaterin, Vermögensberaterin...keine der genannten Berufsbezeichnungen ist geschützt.
Dann gibt es zugelassene Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlerinnen, die auf Provisionsbasis arbeiten. Und natürlich die Maklerinnen, die sich als „unabhängig“ bezeichnen, in Wahrheit aber oft ein ganzes Arsenal an Produkten verkaufen, Hauptsache, die Abschlussprovision stimmt.
Viele der selbstständigen Frauen-Finanzberaterinnen mit Zulassung als Vermittlerin und Maklerin vermarkten sich zusätzlich noch als Finanzcoach oder Finanzmentorin. Sie veranstalten häufig günstige oder kostenlose Frauen-Finanz-Seminare lokal vor Ort, gerne auch in Kooperation mit Gleichstellungsbeauftragten.
Auch die großbuchstabigen Strukturvertriebe wie DVAG, MLP und Swiss Select (ehemals AWD) haben natürlich Finanzberatung für Frauen als Markt entdeckt. Häufig setzen sie frisch angeworbene Frauen-Finanzberaterinnen (aka Maklerinnen oder Vermittlerinnen) auf diesem Markt ein.
Ganz gleich, ob Vermittlerin oder Maklerin, sie eint alle eine Gemeinsamkeit: All diese Finanzberaterinnen arbeiten auf Provisionsbasis. Sie sind also keine Frauen-Finanzberaterinnen, sondern Frauen-Finanzproduktverkäuferinnen.
4. Warum Frauen als Zielgruppe boomen
Es stimmt ja: Frauen haben im Schnitt
- weniger Rente
- verdienen weniger
- arbeiten häufiger in Teilzeit
- machen mehr unbezahlte Care-Arbeit
- und haben deswegen im Alter das Nachsehen.
Wer diese Fakten ignoriert, lebt an der Realität vorbei. Aber jetzt kommt der Haken: Diese Probleme werden von den Frauen-Finanzberaterinnen der Finanzvertriebe, Banken und Versicherungen genutzt, um mit genau diesen Argumenten samt ordentlich emotionalem Beipack ihre Produkte auf Provisionsbasis zu verkaufen.
Und zwar am liebsten in Form von teuren und langfristigen Finanzvehikeln, die für die Vermittlerinnen und Maklerinnen maximal profitabel sind.
Für Frauen löst sich der Gender-Pay-Gap und die Teilzeitfalle aber nicht, indem frau ihnen eine fondsgebundene Rentenversicherung, aktiv gemanagte Fonds (die vielleicht auch ein paar ETFs enthalten), ein nachhaltiges Anlagezertifikat, den aktiv gemanagten Ökofonds oder eine Direktversicherung aufschwatzt. Bei diesen Produkten geht viel zu viel Rendite durch hohe Kosten und Gebühren verloren. Eine fondsgebundene Rentenversicherung zum Beispiel hat gleich drei Kostenebenen: die Kosten der Fonds, die Kosten des Versicherungsmantels und die Abschlussprovisionen.
Im Segment der Frauen-Finanzberatung sind die Maklerinnen und Vermittlerinnen mit ihrer emotionalen Ansprache besonders erfolgreich unterwegs. Das "erfolgreich" bezieht sich dann aber leider auf deren eigenen Geldbeutel, und nicht auf den der Frauen, die sie beraten. Denn alles, was an Provision an die Frauen-Finanzberaterin geht, geht vom Geld der Kundin ab. Und das fehlt dann eben bei ihrer Altersvorsorge.
5. Typische Sätze, die in einer Frauen-Finanzberatung fallen
In so gut wie jedem Beratungsgespräch mit einer Frau fallen diese Sätze:
- „Sie verdienen weniger, also müssen Sie für die Rente besonders vorsorgen.“
- „Sie haben eine Teilzeitstelle, das macht sich in der Altersvorsorge bemerkbar.“
- „Sie haben Kinder? Dann müssen Sie sich doppelt absichern.“
- „Ihre Ehe? Rechnen Sie immer auch mit dem Worst Case.“
Sind diese Sätze falsch? Nein. Sie sind sogar statistisch sauber belegt. Aber sie werden wie ein Drehbuch heruntergebetet und dienen am Ende dazu, gezielt ein Verkaufsbedürfnis zu erzeugen. Frauen werden nicht beraten, sondern vorbereitet: auf den Abschluss.
Was mir immer wieder auffällt: Es sind gerade Frauenfinanz-Beraterinnen, die diese Argumente perfekt inszenieren. Sie können die Lebenswelt der Kundinnen teilen, schaffen schnell Nähe und Vertrauen.
Und dann kommt der angeblich „maßgeschneiderte“ Produktvorschlag, meistens eine Kombipolice, eine kapitalbildende Lebensversicherung, eine Fondsrente, irgendwas Komplexes mit ganz viel teuren Garantien. Klingt toll, ist aber meist teuer, unflexibel und selten die beste Lösung.
Es sind oft gerade die Frauen-Finanzberaterinnen, die besonders geschickt Kasse machen. Ich habe es in meiner Praxis unzählige Male erlebt: Die Kundin kommt zu mir und sagt, sie sei extra zu einer Frau gegangen, weil sie sich dort sicherer gefühlt hat.
Das Beratungsgespräch war nett, verständnisvoll, auf Augenhöhe und am Ende hat sie einen Vertrag unterschrieben, der vor allem eins enthielt: ein hohe Provision für die Beraterin.
Mein Fazit: Frauen werden von Frauen nicht automatisch besser beraten. Im Gegenteil: das Vertrauensverhältnis wird oft gezielt genutzt, um den Verkaufsdruck zu erhöhen. Da wird ein Gefühl von Gemeinsamkeit aufgebaut, das am Ende nicht zur besseren Beratung führt, sondern zum besseren Verkauf.
Das Schlimme daran: Viele Frauen verlassen das Gespräch mit dem guten Gefühl, endlich aufgeklärt worden zu sein und machen einen Haken an das Thema Altersvorsorge. Sie merken aber Jahre später, dass sie viel zu hohe Kosten und miese Renditen im Schlepptau haben.
6. Brauchen Frauen eine eigene Finanzberatung?
Ich sehe sie vor mir, die Frauen, die jetzt sagen: "Typisch alter weißer Mann. Männer, die Frauen beraten? Puh, da sind zu viel Mensplaining und zu viele schwarze Anzüge dabei."
Frauen brauchen eine gute Finanzberatung, genauso wie Männer. Frauen benötigen aber genauso eine unabhängige Finanzberatung. Mitgefühl und Emotionen ersetzen keine Unabhängigkeit.
Echte unabhängige Finanzberatung können provisionsbasierte Finanzprodukteverkäuferinnen mit Zulassung nach § 34 f Gewerbeordnung nicht leisten. Warum? Weil empfehlenswerte Produkte wie ETFs keine Provisionen zahlen. Deshalb werden sie nicht empfohlen.
Wenn Sie also von einer Frau beraten werden wollen, dann suchen Sie sich unbedingt eine Honorar-Finanzanlagenberaterin mit Zulassung 34 h. Diese Information finden Sie in den Statusinformationen und im Impressum. Achten Sie darauf, dass die Beraterin nach Stunden abrechnet und nicht ihr Vermögen prozentual anzapft.
Falls es auch ein männlicher Honorarberater sein darf, können Sie hier die Vorgehensweise meiner Honorarberatung nachlesen.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Händchen bei Ihrer Altersvorsorge, hoffentlich ohne provisionsbasierte Finanzberatung für Frauen. Bleiben Sie kritisch!
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