Honorar Berater: Stundensatz oder Bestandsvergütung?

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Honorarberater Dr. Michael Ritzau rechnet sein Honorar nach Stunden ab.

Beim Provisionsverbot für Finanzprodukte sind sich alle Honorarberater einig. Bei der Art und Weise, wie Honorarberatung bezahlt werden sollte dagegen nicht. Es ist nicht reguliert, ob sich Honorarberater per Stundensatz oder prozentual vom Bestand bezahlen lassen sollen. Hier besteht also Vertragsfreiheit - und aus meiner Sicht Aufklärungsbedarf.

Immer wieder lese ich Beiträge von Honorarberatungen, die eine Vergütung nach Stundensatz als teuer und damit insbesondere für kleine Vermögen als nicht vorteilhaft aussehen lassen. Diese Argumentation taucht insbesondere dann auf, wenn es um das sehr wünschenswerte Verbot von Provisionen bei Finanzprodukten geht.

 

Natürlich, die Bezahlung eines fixen Prozentsatzes ist bei kleinen Anlagesummen und kurzfristiger Betrachtung oft günstiger als eine Abrechnung nach Stunden. Aber: bei welchen Anlagesummen kippt das? Und wie sieht es nach mehreren Jahren aus? Schauen wir uns zunächst die Argumentation der Honorarberatungen an, die sich prozentual an das Kapital ihrer Kundinnen und Kunden "hängen".

Interessant finde ich dazu den Gastbeitrags von Karl Matthäus Schmidt, Chef der Quirin Bank, der sich in der Wiwo vom 7. Dezember 2021 zu Recht über die - mittlerweile schon legendäre - KPMG-Studie aufregt, die sich gegen ein Provisionsverbot ausspricht (Hinweis: Die Studie wurde von Interessensvertretern der Finanzindustrie in Auftrag gegeben, die von Provisionen profitieren, sie ist also alles andere als unabhängig).

 

Alles richtig, aber beim dritten Absatz habe ich dann doch gestutzt: Verbraucher und Politiker würden "absichtlich in die Irre geführt", da ihnen vorgemacht würde, eine unabhängige Bezahlung gegen Honorar sei unbezahlbar, da sie pro Stunde bezahlt werden müsse. O-Ton Schmidt: "Dabei ist das Quatsch, denn natürlich gibt es eine Alternative: Die Bezahlung auf prozentualer Basis."

 

Die Propaganda-Argumentation der Banken und Sparkassen lautet in der Tat, dass die Beratung nach Stundensatz zu teuer sei. Und diese Argumentation ist, wie Schmidt richtig konstatiert, völliger Quatsch. Allerdings erweckt der Quirin-Chef im Folgesatz den Eindruck, dass Honorarberatung nach Stundensatz wirklich ein Problem sei und der Ausweg in einer Honorarberatung auf prozentualer Basis liege, wie sie die Quirin-Bank anbietet. Dem kann ich nur widersprechen. 

 

Warum?

 

Ganz einfach, weil eine Bezahlung auf prozentualer Basis dauerhaft und für die meisten Kunden viel teurer ist als eine Honorarberatung nach Zeitaufwand, bei der ein Honorar-Berater lediglich einen fairen Stundensatz für seinen Zeitaufwand in Rechnung stellt.

 

Im Folgenden werde ich mit einigen Beispiel-Rechnungen zeigen, warum ein Berater-Honorar nach Zeitaufwand für nahezu alle Geldanlegerinnen und Geldanleger die bessere Wahl ist.

 

Aber zunächst möchte ich kurz in Erinnerung rufen, warum überhaupt eine echte Honorarberatung besser ist als der übliche Verkauf teurer Produkte gegen Provision.

berater-honorar-berater
Ein Berater-Honorar auf Stundensatz-Basis ist meist die günstigere Option. Die Honorarberatung kostet dann in der Summe weniger als eine konstante Bestandsvergütung.

Warum ETFs? Warum überhaupt Honorarberatung?

Es gibt nur einen einzigen Grund, warum Exchange Traded Funds (ETFs) besser sind als aktiv gemanagte Fonds: weil ETFs weniger kosten.

 

Kosten sind Gegenwind und Gegenwind vernichtet Rendite. Wären die Kosten und Handelskosten von aktiven Fonds und ETFs gleich, hätten ETFs keinerlei Renditevorsprung mehr.

 

Exakt das gleiche gilt auch für jedes Bezahlmodell bei der Honorarberatung. Bei gleicher Beratungsqualität ist die kostengünstige Beratung immer besser als die teure.

 

Honorarberatung verhält sich damit verglichen mit Provisionsberatung analog zu der Situation bei ETFs/aktiven Fonds. Honorarberatung ist nur dann besser für die Kunden, wenn sie weniger kostet.

 

Will man also wissen, ob Honorarberatung nach Stundensatz oder Honorarberatung gegen prozentuale Beteiligung an der Anlagesumme besser ist, so lässt sich anhand der Kosten eine klare Aussage treffen.

Honorar für Berater: Rechenbeispiel Stundensatz versus prozentuale Beteiligung an der Anlagesumme

Im ersten Jahr der Geldanlage mag eine Beratung nach Stundensatz für niedrigere Anlagesummen teuer erscheinen.

 

Doch viele Kundinnen und Kunden unterschätzen bei Honorarberatern, die prozentual beteiligt werden, die ständig anfallenden laufenden Kosten im Zeitablauf.

 

Eine Bestandsvergütung fällt nämlich jedes Jahr erneut an. Bei einem Stundensatz-Honorar berechnet der Berater nur seinen Zeitaufwand.

 

Dazu kommt die psychologische Wirkung:

 

  • 0,5% oder 1,5% von irgendwas klingen nach wenig, 1.200 Euro absolut klingen dagegen nach richtig viel Geld
  • zudem wird die Bestandsvergütung von Ihrer Anlagesumme abgezwackt, sie müssen diese also nicht einmal aktiv überweisen, sondern sie mindert "nur" ihre Rendite - das ist übrigens eine Gemeinsamkeit mit der Provisionsberatung.

 

Glauben Sie mir: man muss nicht ständig beraten werden. Die wichtigsten Prinzipien der Geldanlage sind unveränderlich. Deshalb sind die notwendigen Folgekosten bei einer Honorarberatung nach Stundensatz sehr gering. Ist ein Depot einmal zum Anleger passend strukturiert, geht es in der Regel nur noch um eine methodische Rebalancierung und später vielleicht eine Entnahmeplanung.

 

Bei einer  prozentualen Bezahlung wird dagegen als Rechtfertigung der dauerhaften laufenden Kosten alles mögliche gemacht - typischerweise regelmäßige Berichte und/oder Umschichtungen. So etwas erhöht nicht die Rendite. Und: Die Folgekosten sind nicht nur beträchtlich und dauerhaft, sondern in aller Regel sogar steigend, da sie sich auf das steigende Anlagevermögen des Kunden bzw. der Kundin beziehen. Aber selbst wenn man eine Nullrendite annimmt, kommt man bei angenommenen prozentualen Kosten von 0,5%, 1% bzw. 1,5% im ersten Jahr auf folgende Kosten:

Kosten Honorar Berater für Anlagesumme in Euro im 1. Jahr

25.000 €

50.000 €

100.000 €

250.000 €

500.000 €

1.000.000 €

Kosten Honorar Berater bei 6,5 Stunden Dauer à 175 € brutto

1138 €

1138 €

1138 €

1138 €

1138 €

1138 €

Kosten für Honorar Berater bei 0,5 % Bestands-Vergütung

125 €

250 €

500 €

1.250 €

2.500 €

5.000 €

Kosten für Honorar Berater bei 1,0 % Bestands-Vergütung

250 €

500 €

1.000 €

2.500 €

5.000 €

10.000 €

Kosten für Honorar Berater bei 1,5 % Bestands-Vergütung

375 €

750 €

1.500 €

3.750 €

7.500 €

15.000 €


Fazit: Bei vielen Anlegerinnen und Anleger amortisiert sich ein Berater-Honorar auf Stundensatzbasis schon im ersten Jahr, denn:

 

  • bei 1,5% Bestandsvergütung ist die prozentuale Vergütung bereits ab einer Anlagesumme von 76.000 € schon im ersten Jahr teurer als die Abrechnung nach Stundensatz.
  • bei 1% Bestandsvergütung rentiert sich ein Berater-Honorar auf Stundenbasis ab einer Anlagesumme von 113.800 €.
  • bei 0,5% Bestandsvergütung amortisiert sich ein Honorar-Berater auf Stundenbasis ab einer Anlagesumme von 227.600 € im ersten Jahr.

Kumuliertes Berater-Honorar nach fünf Jahren

Nun legen aber die Meisten ihr Geld nicht für ein Jahr an, sondern mittel- bis langfristig.

 

Wie sieht es also mit den kumulierten Kosten nach mehreren Jahren aus? Nun, wie schon gesagt, sind die Folgekosten bei einer Stundensatzberatung gering, den außer einem - vielleicht jährlichen - Rebalancieren ist im allgemeinen nichts zu tun.

 

Und so etwas bekommen die meisten Kunden langfristig selbst hin, denn man braucht dafür nur Addition, Subtraktion und Prozentrechnung. Deshalb gehe ich beim Stundensatzmodell nach fünf Jahren nur von einer Stunde Folgekosten aus.

 

Nicht, weil die Kunden alleine gelassen werden, sondern weil der Beratungsbedarf gering ist.

 

Größerer Beratungsbedarf ergibt sich im Regelfall erst wieder, wenn das Thema Entnahmeplanung ansteht, man also in der Rentenphase aus seinem angesparten Vermögen Geld entnehmen möchte.

honorar-berater-entnahmeplanung
Bei einer Entnahmeplanung fallen wieder einige wenige Stunden an Honorarberatung an.

Anlage-summe im 5. Jahr (Nullrendite ange-nommen)

25.000

50.000

100.000

250.000

500.000

1.000.000

 

Kosten Honorar Berater bei 7,5 Stunden à 175 Euro brutto

1.312,50 €

1.312,50 €

1.312,50 €

1.312,50 €

1.312,50 €

1.312,50 €

Kosten für Honorar Berater bei 0,5 % Bestandsvergütung

625 €

1.250 €

2.500 €

6.250 €

12.500 €

25.000 €

Kosten für Honorar Berater bei 1,0 % Bestandsvergütung

1.250 €

2.500 €

5.000 €

12.500 €

25.000 €

50.000 €

 

Kosten für Honorar Berater bei 1,5 % Bestandsvergütung

1.875 €

3.750 €

7.500 €

18.750 €

37.500 €

75.000 €


Bereits nach fünf Jahren lässt sich die Stärke der stundensatz-basierten Honorarberatung über den Zeitablauf gut erkennen. Doch nach zehn Jahren wird es noch frappierender.

Anlage-summe im 10. Jahr (Nullrendite angenommen, da sonst noch teurer)

25.000 €

50.000 €

100.000 €

250.000 €

500.000 €

1.000.000 €

Kosten für Honorar Berater bei 8,5 Stunden à 175 Euro brutto kumuliert

1.487,50 €

1.487,50 €

1.487,50 €

1.487,50 €

1.487,50 €

1.487,50 €

Kosten für Honorar Berater bei 0,5 % Bestandsvergütung kumuliert

1.250 €

2.500 €

5.000 €

12.500 €

24.500 €

50.000 €

Kosten für Honorar Berater bei 1,0 % Bestandsvergütung kumuliert)

2.500 €

5.000 €

10.000 €

24.500 €

50.000 €

100.000 €

Kosten für Honorar Berater bei 1,5 % Bestandsvergütung kumuliert)

3.750 €

7.500 €

15.000 €

37.500 €

75.000 €

150.000 €


Die Tabellen zeigen also eindrücklich, wie viel Geld bei einer Vergütung in Prozent des Volumens in die Taschen von Honorarberatungen fließt.

 

Bei einem durchschnittlichen Zuwachs von 5 Prozent pro Jahr würden bei einem Vermögen von 100.000 Euro über den Zeitablauf von zehn Jahren vor Kosten zwar 162.889 Euro zu Buche stehen. Bei einer Bestandsvergütung von 0,5 % sieht die Rechnung dann aber so aus.

Anlagesumme Beginn Jahr

100.000 €

104.475 €

109.150 €

114.035 €

119.138 €

124.469 €

130.039 €

135.858 €

141.938 €

148.289 €

Anlagesumme Ende Jahr

105.000 €

109.699 €

114.608 €

119.736 €

125.095 €

130.693 €

136.542 €

142.651 €

149.035 €

155.704 €

abzgl. Honorar-beratung 0,5 %

Jahr 1: 525 €

J 2: 548 €

J 3: 573 €

J 4: 599 €

J 5: 625 €

J 6: 653 €

J 7: 683 €

J 8: 713 €

J 9: 745 €

J 10: 779 €

Summe 6443 €

Anlagesumme abzgl. Kosten

104.475 €

109.150 €

114.035 €

119.138 €

124.469 €

130.039 €

135.858 €

141.938 €

148.290 €

154.926 €


Honorar-Berater: Fehlanreize durch prozentuale Bezahlung

Lässt sich ein Honorarberater prozentual bezahlen, muss er natürlich den Eindruck erwecken, dass eine laufende Betreuung notwendig ist. Denn irgendwie muss er seine hohen laufenden Kosten rechtfertigen. Das führt regelmäßig zu folgenden Fehlanreizen, die für den Kunden keine Vorteile bringen:

 

  • überkomplexes Portfolio mit unnötig vielen Einzelbausteinen (ETFs/ Indexfonds)
  • häufigere Umschichtungen jenseits des Rebalancierens, begleitet von Marktberichten, die Gründe für die Umschichtingen nennen

 

Wichtig: die Kosten bei prozentualer Bezahlung fallen automatisch an und steigen in aller Regel absolut, da sie sich bei - hoffentlich - positiver Rendite und/oder Nachinvestitionen auf immer höhere Anlagesummen beziehen.

 

Das ist sehr gut für die Einnahmen des Honorar-Beraters, aber schlecht für die Rendite des Kunden.

 

Zwar existiert auch bei der Honorarberatung nach Stundensatz der Fehlanreiz, dass ein Honorarberater länger als nötig berät. Aber dieser Fehlanreiz erfolgt nicht automatisch, d.h. der Berater muss dazu wieder aktiv werden und den Kunden überzeugen sich erneut beraten zu lassen. Das ist viel aufwändiger und unangenehmer für den Honorarberater als automatisch bezahlt zu werden. Die Wahscheinlichkeit, dass so etwas dauerhaft funktioniert, ist wohl eher gering.

Schlussfolgerungen zum Berater-Honorar

Die Berechnungen machen es deutlich, warum ich ein prozentuales Bezahlmodell bei Honorarberatern kritisch sehe.

 

  1. Laufende Beratungskosten von 1% oder 1,5% pro Jahr plus Kosten für ETFs und Indexfonds von etwa 0,1% bis 0,3% führen zu ähnlich hohen Kosten wie sie im klassischen Provisionsverkauf von aktiv gemanagten Fonds anfallen.
  2. Niedrigere prozentuale Bezahlmodelle mit bis zu 0,5% laufenden Kosten sind kostengünstiger als der Provisionsverkauf der Banken, aber schon mittelfristig fast immer deutlich teurer als die Beratung nach Stundensatz.

 

Ich kann es nur wiederholen: Honorarberatung ist nur dann besser für Kundinnen und Kunden als Provisionsverkauf, wenn sie kostengünstiger ist.

 

Und ein weiterer Aspekt sei noch erwähnt: Honorarberatungen, die sich prozentual bezahlen lassen, nehmen teilweise gar keine Kundinnen und Kunden mit geringen Anlagesummen an. Tatsächlich weiß ich von Honorar-Finanzanlageberatern, die nach Bestandsvolumen abrechnen und dabei relativ unverblümt sagen, dass ein Kunde oder eine Kundin erst ab 250.000 € Anlagesumme für sie interessant ist.

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Lesen Sie hier, wie ich bei meiner Honorarberatung zu Finanzen vorgehe und was ich von Vehikeln wie Anlagezertifikate halte.

Und falls Sie es interessiert: lesen Sie hier, was ich vor der Gründung der Südbadischen Honorarberatung beruflich gemacht habe

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