Eins vorab: Ich selbst habe nie Anlagezertifikate gekauft und empfehle auch keinem Anleger Zertifikate als Geldanlage . Warum? Die Antwort lautet schlicht: Weil ich von diesem Produkt aufgrund seiner Risiken und Kosten nichts halte.
Aber in den Depots meiner Kunden finden sie sich, diese teuren, intransparenten Finanzprodukte. Besonders aktiv: die Sparkassen und Volksbanken mit ihren Deka
Zertifikaten bzw. DZ-Bank Zertifikaten. Besonders im Trend derzeit: Nachhaltige Zertifikate mit Zungenbrecher-Namen. Fast im Wochentakt bin ich damit beschäftigt diese "Perlen"
der Geldanlage aus den Depots meiner Kund:innen zu fischen.
Ich könnte jetzt sagen: "Bitte lassen Sie sich als Anleger keine Anlagezertifikate aufschwatzen und investieren Sie besser in börsen-gehandelte Indexfonds", den Artikel beenden und Ihnen wertvolle Zeit sparen.
Aber vielleicht wollen Sie doch etwas genauere Informationen, warum ich so denke.
Anlagezertifikate als Geldanlage: Was sind Zertifikate?
Zertifikat - das klingt zunächst einmal solide und bodenständig. Die positive Konnotation mit dem Begriff ist gewollt.
Und tatsächlich sind Anlagezertikate ja etwas Positives: Allerdings nicht für Sie als Nutzer, die das Produkt kaufen, sondern für Ihre Bank, die Ihnen den Kram verkauft.
Was sind Zertifikate? Antwort: Es handelt es sich um komplexe und riskante Anlagevehikel, deren Preis sich über
Finanzderivate (Optionsscheine) an einem Basiswert orientiert. Als Basiswert kann alles herhalten z.B. eine Aktie, ein Aktienindex, ein Rohstoff oder eine Währung.
Im Vergleich zu anderen Anlagevehikeln sind Zertifikate für Anleger sehr schwer durchschaubar. Das liegt daran, dass ihre Preisentwicklung nicht nur
am Preis des zugrundeliegenden Basiswerts hängt, sondern auch durch dessen Volatilität (Schwankungen) und den Zeitwert der zugrunde liegenden Finanzderivate bestimmt wird.
Trotz ihrer Komplexität können die Banken sie ohne großen Aufwand und Kosten massenhaft produzieren. Das macht Zertifikate für Banken und Sparkassen attraktiv.
Allein die genossenschaftliche DZ-Bank hat über 63.000 Zertifikate in ihrem Produkt-Sortiment.
Zertifikate als Geldanlage: Verwirrende Vielfalt und hohe Komplexität
Es gibt nicht nur Hunderttausende von Zertifikaten, sondern auch Dutzende von Zertifikate-Typen: Airbag Zertifikate, Aktienanleihen, Basket Zertifikate, Bonus Cap Zertifikate,Butterfly Zertifikate, Discount Zertifikate, Express Zertifikate, Index Zertifikate, Kapitalschutz Zertifikate, Outperformance Zertifikate, Rainbow Zertifikate.... Und natürlich auch noch wilde Kombinationen davon wie "Outperformane Reverse Protect Zertifikate".
Das Gute für die Banken: Sie können mit diesen Produkten nicht nur Zocker
anlocken, deren Hebel-Zertifikate im Vergleich zum Basiswert an den Börsen überdurchschnittlich gewinnen oder verlieren.
Nein, die Zertifikat-Konstruktion erlaubt es auch konservative Anleger in die Aktien-Märkte zu locken - meist über Garantien und (teilweisen) Kapitalschutz. Die so konstruierten Discount-, Airbag- , Bonus-Cap oder ähnliche Zertifikate können deshalb an vorsichtige Anleger vermarktet werden ohne formell eine Fehlberatung darzustellen.
Sinn macht es für die Anleger dennoch nicht, denn die hohen Kosten und teilweise stark begrenzten Gewinnaussichten dieser Produkte machen sie fast immer unattraktiv. Der Kapitalschutz wird in den meisten Fällen gar nicht gebraucht, da der Basiswert des Anlagezertifikats über die Laufzeit in sehr vielen Fällen oberhalb der Schutzschwelle liegt. Schließlich steigen Aktien meistens. Oder die Aktien-Börsen erholen sich während der Laufzeit von vielleicht sieben Jahren wieder von einem Rückschlag.
Emittenten-Risiko - nur ein Nachteil von Zertifikaten
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Zertifikate zählen im Gegensatz zu Fonds nicht zum Sondervermögen einer Bank: Wenn also die Bank (Emittent) pleite
geht, ist das vom Anleger in Zertikate investierte Geld futsch. Wir erinnern uns: Als Lehman 2008 hopps ging,
verloren 50000 Deutsche rund eine Milliarde Euro. Nennt sich Emittenten-Risiko.
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Hohe Kosten: Diese Produkte haben hohe Ausgabeaufschläge von bis zu 5 Prozent. Beispiele: Eine meiner Kundinnen bekam von der Sparkasse
Heidelberg das Angebot 25000 Euro in das Deka Zertifikat mit dem wohlfeil klingenden Namen DekaBank 90 % Tresor-Anleihe mit Cap 02/2027
bezogen auf den MSCI World Climate Change ESG Select 4,5% Decrement zu investieren und bat mich um meine Meinung. Beim
Abschluss des Vertrags wären gleich mal 1230 Euro Gebühren angefallen - ein guter Stundensatz für ein etwa einstündiges Beratungsgespräch! Diese Geld ist unwiederbringlich versenkt. Meine
Kundin hat das Zertikat natürlich nicht gekauft.
- Komplexität: Eine andere Kundin hatte bereits drei Index-Zertifikate in ihrem Portfolio. "Haben Sie das Produkt verstanden?", fragte ich die Kundin? Nein, sie habe sich das drei mal erklären lassen, aber trotzdem nicht kapiert. Allerdings hatte sie stets ein ungutes Gefühl.
- Entgangene Dividenden: Es ist nämlich bei Zertifikaten fast immer so: Die Banken erheben nicht nur einmalige Vertriebsprovisionen. Nein, sie schöpfen vor allem komplett alle Dividenden der zugrundeliegenden Aktien oder Aktienindizes ab.
- Mangelnde Informationen + Transparenz: Vielen Kunden fällt das gar nicht weiter auf, aber hier kommen schnell 2 bis 3 Prozent Kosten pro Jahr zusammen. Gut für die Bank: Dividenden ändern sich, es reicht also ein Hinweis im Kleingedruckten, dass die Dividenden einbehalten werden, statt üppige Kosten von 2 oder 3 Prozent angeben zu müssen.
Warum verkaufen Banken und Sparkassen die Geldanlage Zertifikate?
Der Vertriebsapparat der Banken und Sparkassen drückt den Kunden mehr und mehr Zertifikate auf. Warum?
1. Das klassische Zins-Geschäft fällt weg. Mit Darlehen und Hypotheken erzielen Banken und Sparkassen in der Niedrigzins-Ära nicht mehr genügend
Gewinne. Die holen sie sich jetzt eben über die Provisionen und Gebühren der Anlagezertifikate.
2. Wie schon erwähnt, ist es mit Zertifikate-Konstruktionen möglich bei konservativen Anlegern mit Aktienmarkt-basierten Zertifikaten Provisionen
abzuschöpfen.
3. Anlagezertifkate haben eine begrenzte Laufzeit. Heißt für die Bank oder Sparkasse: Irgendwann wird die Summe ausbezahlt und es entsteht neuer Beratungsdarf.
Unter dem Zauberwort Umschichtung dürfen Sie mit Ihrem Geld vom Emittenten neue Zertifikate kaufen oder bekommen teure aktiv gemanagte Aktien-Fonds vermittelt. Wenn Sie diese kaufen, werden natürlich wieder neue Ausgabeaufschläge fällig.
Daher gilt:
- Investieren Sie nie in Finanzvehikel und Produkte, die Sie nicht verstehen und deren Risiken und Kosten Sie nicht überblicken.
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Lassen Sie den Vertrag bevor Sie investieren bzw. unterschreiben stets von einer unabhängigen
Institution wie einer Verbraucherzentrale oder einem Honorarberater drüber schauen. Sie sparen sich viel Geld und Frust. Verlassen Sie sich nicht ausschließlich auf die Informationen, der
Bank bzw. des Emittenten, der Ihnen ein Zertifikat bzw. einen Fonds verkaufen möchte.
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Allein die Abschlusskosten eines einzelnen Anlagezertifikats liegen schon bei überschaubaren Summen oft im vierstelligen Eurobereich. Dazu kommt die versteckte
Abschöpfung Ihrer Dividenden. Für das Geld bekommen Sie eine vollumfängliche ehrliche und unabhängige Honorarberatung auf Stundenbasis - zumindest bei mir.
Falls das noch nicht reicht, lesen Sie bitte den Beitrag Anlagezertifikate: Dinge, die keiner braucht von Prof. Hartmut Walz.
Fazit: Sie kennen jetzt die Antwort auf die Frage "Was sind Zertifikate?". Lassen Sie die Finger von diesen Produkten und kaufen Sie keine Anlagezertifikate.
Investieren Sie lieber in kostengünstige Fonds wie ETFs - Sie wissen ja jetzt, warum :-)
Falls Sie sich über weitere nicht empfehlenswerte Anlagevehikel informieren wollen, empfehle ich Ihnen meine Beiträg über Direktversicherungen und Mischfonds.
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