Wenn die Aktienmärkte sinken, erweckt die Fondsindustrie regelmäßig den Eindruck, dass aktive gemanagte Fonds in der (Aktienmarkt)-Krise die bessere Wahl seien als passive Indexfonds (ETFs).
ETF und Krise? Das passe nicht zusammen.
Als promovierter Naturwissenschaftler und Honorarberater, der ausschließlich auf finanzwissenschaftlicher Basis berät, werde ich da natürlich hellhörig und schaue genau hin.
Die vorgebrachten Argumente pro aktives Fondsmanagement klingen auf den ersten Blick plausibel und gehen ungefähr so:
- Der Manager eines aktiv gemanagten Aktienfonds- bzw. Mischfonds könne in der Krise seine Cash-Quote erhöhen,
- in sichere Anlagen wie Anleihen umschichten oder
- wahlweise auch auf defensive Aktien setzen.
Impliziert wird, dass ein ETF in der Krise dazu verdammt sei dem Markt sklavisch nach unten zu folgen, während aktives Fondsmanagement durch geschicktes Umschichten Verluste reduzieren könne.
Was ist dran an dieser Argumentation?
Werbung für aktive Fonds: viel "kann" und "können"

Nur ein Beispiel: Eine große Anzeige im Spiegel der DJE Kapital AG vom
31. August 2022 mit folgendem Werbetext:
"Wird es turbulent an den Märkten, trennt sich die Spreu vom Weizen. Der DJE- Zins & Dividende kann sein Aktienmanagement auf ein Minimum beschränken, in Anleihen mit Zinserträgen investieren oder die Cash-Quote erhöhen. Aktives Management setzt auf Branchen und Unternehmen, die auch in Krisen Gewinne erzielen können."
Natürlich können manche aktiv gemanagte Fonds in der Krise besser sein
Es ist selbstverständlich möglich, dass ein aktiv gemanagter Fonds in der Krise besser abschneidet als sein Vergleichsindex oder ein ETF mit dem gleichen Anlageuniversum. Nur: wahrscheinlich ist das nicht. Entscheidend bei der ganzen Argumentation der Fondsindustrie ist nämlich die Kann-Formulierung. Diese ist mit Bedacht gewählt, denn damit lässt sich sehr gut ein falscher Eindruck erzeugen - ohne das Falsche zu behaupten.
Natürlich ist es möglich, dass ein (kleiner) Teil der aktiv gemanagten Fonds in einer Krise eine bessere Performance liefert als sein Vergleichs-Index. Genauso gut ist das übrigens in einer Boom-Phase möglich.
Aktive und passive Fonds sind vor Kosten gleich gut
Um die unsinnigen Aussagen der Fondsindustrie zu entlarven, muss man einige Dinge verstehen:
Es gibt im Aktienmarkt (allgemeiner in jedem Anlagemarkt) nur zwei Gruppen von Anlegern:
1. Aktive, die in aktiv gemanagte Fonds oder Vermögensverwaltungen investieren und vom Index, z.B. dem MSCI World-Aktienindex, mehr oder weniger abweichen
2. Passive, die einfach einen Index wie den MSCI-World in Form eines ETFs halten
Wenn ein Index wie der MSCI World in einer Krise minus 20 Prozent gemacht hat, dann haben die passiven Anleger, die in diesen Index investiert haben, eben minus 20 Prozent Rendite vor Kosten erzielt.
Das heißt aber auch - und das ist ganz wichtig zu begreifen - dass die aktiven Anleger und Anlegerinnen mit dem gleichen Anlageuniversum (z.B. globale Aktienfondsmanager, die aus den Aktien des MSCI World auswählen) im Schnitt vor Kosten ebenfalls eine Rendite von minus 20 Prozent gemacht haben müssen.
Warum? Die Summe der Renditen von aktiven und passiven MSCI-World-Anlagen muss ja im betrachteten Zeitraum insgesamt minus 20 Prozent ergeben. Es ist also unmöglich, dass aktives Fondsmanagement im Durchschnitt vor Kosten eine bessere Rendite erzielt als die passiven Anleger und Anlegerinnen.
Egal ob Boom oder Krise: Kosten verschlechtern Rendite
Daraus folgt unmittelbar, dass nach Kosten der Durchschnitt der aktiv gemanagten Fonds eine schlechtere Rendite haben muss als die passiven Investments. Und zwar schlicht und ergreifend, weil aktives Fondsmanagement deutlich teurer ist als ein ETF. Das gilt in der Krise, in Boomphasen und im Seitwärtsmarkt. Also immer.

Fakt ist also - und das wiederhole ich gerne nochmal - aktiv gemanagte Fonds müssen im Schnitt aufgrund ihrer hohen Kosten in jeder Zeitperiode eine schlechtere Rendite liefern als vergleichbare passive Investments.
Das ist eine mathematische Notwendigkeit wie Wirtschafts-Nobelpreisträger William Sharpe schon 1991 in einem sehr interessanten Artikel (The Arithmetic of Active Management) mit simpelster Mathematik bewiesen hat.
Aber was ist denn nun mit den Fünf-Sterne-Fonds? Den wenigen aktiv gemanagten Fonds, die über Jahre besser als ihr Vergleichsindex abschnitten? Also den sogenannten Perlen, mit denen sich das aktive Fondsmanagement gerne schmückt?
Vergangenheits-Peformance und Rating eines aktiv gemanagten Fonds sind nahezu irrrelevant für die Zukunft
Banken und Finanzvertriebe empfehlen ihren Kundinnen und Kunden oft das Geld in die „besten“ aktiven Fonds zu investieren. Aber welche sind denn die besten?
Laut Bank sind das die aktiv gemanagten Fonds, die in der Vergangenheit die Indizes über Jahre hinter sich gelassen haben. Eine ganze Fondsrating-Industrie lebt davon, dass sie Sternchen ünd Pünktchen nach Vergangenheits-Performance verteilt.
Wie plausibel es auch klingen mag, hier hilft ein Blick auf finanzwissenschaftliche Studien. Und die Studien sind eindeutig: Die Vergangenheitsperformance eines Fonds sagt so gut wie gar nichts über dessen zukünftige Wertentwicklung aus. Mit anderen Worten: Fondsmanager, die in der Vergangenheit gut waren, hatten hauptsächlich Glück. Und wie beim Würfeln ist dieses Glück nicht beständig.
Regelmäßig wechseln die „besten“ aktiv gemanagten Fonds. Fonds, die in den letzten 5 oder 10 Jahren vor dem Index lagen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in den folgenden 5 oder 10 Jahren hinter den Index zurückfallen. Dutzende von wissenschaftlichen Studien zeigten immer wieder: Es existiert fast gar keine Korrelation zwischen vergangener und zukünftiger Performance eines aktiv gemanagten Fonds.
ETFs: Korrelation zwischen niedrigen Kosten und guter Wertentwicklung sehr ausgeprägt

Dagegen ist die Korrelation von niedrigen Kosten und guter Wertentwicklung sehr ausgeprägt.
Ich habe übrigens Nobelpreisträger Sharpe im März 2016 genau zu diesem Thema für mein Buch "Die große Fondslüge" interviewt. Und er sagt es in aller Deutlichkeit: "Das Einzige, was mit einiger Zuverlässigkeit vorhersagt, welche Investmentfonds in der Zukunft am besten abschneiden werden, sind ihre laufenden Kosten."
Es gibt keinen verlässlicheren Indikator für eine zukünftig gute Wertentwicklung als niedrige Kosten - und die bieten nun mal nur ETFs.
Mit anderen Worten: kostengünstige ETFs sind für Sie als Anlegerin und Anleger immer, also auch in der Krise, die bessere Wahl. Und das ist genau das, was ich als Honorar-Finanzanlagenberater meinen Kunden empfehle.
Für Banken, Fondsmanager, Vermögensverwalter und die üblichen Finanzvertriebe sind ETFs natürlich wenig attraktiv. Die möchten über den Provisionsverkauf ihrer teuren Finanzprodukte weiterhin hohe Gebühren kassieren und kreieren deswegen Argumente pro aktiv gemanagte Fonds, die sich bei näherer Betrachtung in heiße Luft auflösen.
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